GRECO ist eine Gruppe aus 50 Staaten, die sich gegen Korruption einsetzt. Sie überprüft, wie gut Länder ihre Vorgaben im Kampf gegen Korruption umsetzen und evaluiert, wo es weiterhin Probleme gibt. Auch Österreich ist Mitglied und 2016 hat GRECO alleine für den Bereich der Abgeordneten, Richter:innen und Staatsanwält:innen 19 Punkte gefunden, die Österreich verbessern muss. Nur um bei der Überprüfung 2018 festzustellen, dass Österreich so gut wie nichts getan hat. Es „wurde festgestellt, dass nur eine der 19 Empfehlungen in zufriedenstellender Art und Weise umgesetzt wurde, fünf Empfehlungen wurden teilweise und 13 überhaupt nicht umgesetzt.“ Allgemein unbefriedigend befindet GRECO. Aber immerhin: in der neuen Evaluierung vom März 2021 hat Österreich schon zwei von 19 Forderungen „in zufriedenstellender Art und Weise umgesetzt“.
„Im Schulnotensystem würde man sagen Fetzen, Fünfer“, sagt Martin Kreutner dazu. Der frühere Leiter der Antikorruptionsakademie in Österreich ist Mitinitiator eines Volksbegehrens, das sich für mehr Rechtsstaatlichkeit und gegen Korruption einsetzt.
Aber was sind die 18 Forderungen von GRECO, die Österreich noch umsetzen muss? Es sind vor allem Compliance-Fragen: Es sollen klare Regeln und Leitfäden für Abgeordnete, Richter:innen und Staatsanwält:innen geben. Das sorgt für mehr Transparenz, dadurch zu mehr Vertrauen in die Amtsträger:innen und zu guter Letzt auch für mehr Klarheit bei den drei Gruppen.
Vorschläge für Abgeordnete
- Regierungsvorlagen und Gesetzesentwürfe von Abgeordneten sollen transparent werden und die Fristen bei der Begutachtung eingehalten werden: 2018 stellte GRECO fest, dass die Begutachtungsdauer formal zwar sechs Wochen beträgt, in der Praxis aber oft auf zehn Tage verkürzt wird. Österreich hat in diesem Bereich zwar etwas gemacht, für GRECO war das aber zu wenig. Es fehlt etwa immer noch ein legislativer Fußabdruck. Ab August sollen man auch Stellungnahmen für Gesetzesvorschläge abgeben können, die nicht von der Regierung eingereicht worden sind.
- Abgeordnete sollen einen öffentlich zugänglichen Verhaltenskodex erarbeiten: Offiziell ist dieser Punkt noch nicht umgesetzt, das österreichische Parlament hat im Februar 2021 allerdings einen Verhaltenskodex für Parlamentarier:innen veröffentlicht.
- Ein Meldesystem soll sicherstellen, dass Interessenskonflikte von Abgeordneten sichtbar werden, die sich aus Nebenbeschäftigungen ergeben: Zu den meisten Vorschlägen für Abgeordnete merkt GRECO an, dass „seit dem Umsetzungsbericht keine weiteren Maßnahmen getroffen wurden“ und „bedauert das anhaltende Fehlen von Fortschritten bei der Umsetzung der meisten Empfehlungen“.
- Interne Regeln im Parlament für den Umgang mit Geschenken, Essenseinladungen oder anderen Vorteilen für Parlamentarier:innen: Es gibt hier weiterhin keine Regeln für Abgeordnete und auch keine Hinweise darauf, dass „die Compliance von Abgeordneten in dieser Hinsicht überprüft wird“, so GRECO. Das Parlament hat dafür freiwillige Fortbildungen zum Thema Geschenkannahme veranstaltet, bei der rund 70 der 183 Abgeordneten mitgemacht haben. Außerdem gibt es seit 2019 eine Beratungsstelle für Abgeordnete.
- Das Lobbying-Gesetz soll transparenter werden, Abgeordneten untersagen nebenbei selbst als Lobbyist:innen zu arbeiten und Berichtspflichten beim Treffen mit Lobbys einzuführen: Justizministerin Alma Zadić hat im Oktober 2020 eine Evaluierung des Lobbying-Gesetzes angekündigt, nachdem der Rechnungshof die Regelungen für nicht gut genug befunden hat.
- Aussagekräftige Meldevorschriften zu Vermögen, Schulden und Einkünfte (auch der Partner:innen) zu entwickeln. Abgeordnete und Politiker:innen in Landesregierungen melden den Unvereinbarkeitsausschüssen ihre Firmenbeteiligungen. Die Ausschuss-Protokolle der Sitzungen bleiben aber geheim und auch sonst gibt es viele Fragen, was gemeldet werden muss und welche Konsequenzen es gibt, wenn etwas nicht gemeldet wird.
- Eine unabhängige Stelle mit den notwendigen Mitteln und Rechten soll diese Meldungen überprüfen und weitere Gesetzesänderungen empfehlen dürfen. Regierungsmitglieder müssen dem Rechnungshof alle zwei Jahre ihre Vermögenswerte mitteilen. Der überprüft dann, ob es zu ungewöhnlichen Vermögenszuwächsen gekommen ist und kann das dem oder der Nationalrats- oder Landtagspräsident:in melden.
- Verstöße gegen den Verhaltenskodex und das Unvereinbarkeitsgesetz sollen echte Sanktionen nach sich ziehen.
GRECO kritisiert, dass Österreich bei den Anti-Korruptionsvorschlägen für Abgeordnete nichts weitergebracht hat. Nur Punkt 2 könnte bald als erfüllt anerkannt werden. Der Punkt galt aber schon in 2018 als teilweise umgesetzt.
Vorschläge für Richter:innen
- Richter:innen an den Bundes- und Landesverwaltungsgerichten sollen einheitliche Regeln zur Unabhängigkeit, ihrer Unparteilichkeit und ihrem Verhalten bekommen: Schon in der ersten Evaluierung meinte GRECO, dass einige Forderungen teilweise umgesetzt worden sind. Die Verantwortlichen in den Bundesländern behaupten dafür stur, dass sie nicht nur teilweise, sondern ganz umgesetzt wurden. Doch der Staatenbund gegen Korruption sieht „keine legislativen, institutionellen oder organisatorischen Maßnahmen zur Harmonisierung der Garantien und Regeln für Richter“, die gefordert wurden.
- Anforderungen für Richterstellen sollten erhöht und formalisiert werden, Bewerber:innen eine Integritätsprüfung ablegen müssen und die Ernennung nicht in den Händen einer einzigen Person liegen: Die Anforderungen an Anwärter:innen wurde 2018 erhöht. Den Bestellungsvorgang wird aber nicht verändert werden: Hier entscheidet weiter der oder die Präsident:in des Oberlandesgerichts. Die österreichischen Behörden haben GRECO gesagt, „es gäbe keine Pläne zur Änderung dieser Bestimmungen“.
- Vorschläge von Personalsenaten für Richter:innen sollen bindend werden: „GRECO fordert die österreichischen Behörden auf, ihre Bemühungen zur Umsetzung dieser Empfehlung fortzusetzen.“ Damit meint die Staatengemeinschaft einen Gesetzesentwurf des Justizministeriums, das über eine erste Lesung im Parlament nicht hinausgekommen ist. GRECO nennt das „bedauerlich“.
- Ein System zur Leistungsbeurteilung für Richter:innen sollte eingeführt werden. Die Ergebnisse sollen bei Beförderungen miteinbezogen werden: In seiner Evaluierung kommt GRECO auch bei diesem Punkt zu dem Schluss, dass Österreich hier nichts macht. Es gibt zwar Ankündigungen eines Gesetzes, in dem einige der Vorschläge vorkommen, GRECO reichen Ankündigungen aber nicht.
- Richter:innen, Laienrichter:innen und Beamt:innen im Justizministerium sollen an einen Verhaltenskodex gebunden sein und Zugang zu Beratung haben: Für Beamte des Justizministeriums gibt es seit Februar 2020 eine Compliance-Leitlinie, außerdem gibt es einen Chief-Compliance-Officer im BMJ und einen Ethikrat der Richtervereinigung. GRECO kritisiert, dass Richter:innen immer noch keine Beratung haben.
- Wer ein Richter:innenamt hat, soll nur mehr beschränkt in der Legislative und Exekutive tätig sein dürfen: Das ist der eine Vorschlag, den Österreich umgesetzt hat. Richter:innen dürfen nicht mehr Teil des National-, Bundes- oder Landesrats sein. Das ist der einzige Punkt bei dem GRECO zu dem Schluss kommt, dass die Empfehlung „zufriedenstellend umgesetzt wurde.“
- Es soll klar sein, wer bei Richter:innen überprüft, ob sie ihre Pflichten (wie Amtsverschwiegenheit, Geschenkannahme oder Nebentätigkeiten) einhalten: Österreichs Antwort auf diesen Vorschlag war ein genereller Verweis, dass Richter:innen von den Präsident:innen der Oberlandesgerichte und des Obersten Gerichtshofs zu kontrollieren sind. GRECO will aber wissen, wer das aber wirklich überprüft: „Ungeachtet dessen wurde noch immer nicht definiert, wer diese Aufgaben in der Praxis unter der Leitung der Gerichtspräsidenten tatsächlich durchführt.“ Auch Ankündigungen Österreichs, dass man hier etwas plane, genügen der Staatengemeinschaft gegen Korruption nicht.
Vorschläge für Staatsanwält:innen
- Staatsanwält:innen sollen in ihrer Arbeit wie Richter:innen gesehen werden – das bedeutet, Staatsanwält:innen dürfen keine politischen Funktionen haben und die Regierung ist bei Ernennungen oder Beförderungen nicht involviert: Mittlerweile dürfen Staatsanwält:innen keine politischen Ämter mehr ausüben. Es gibt aber immer noch politischen Einfluss bei Ernennungen.
- Staatsanwält:innen sollen einen Verhaltenskodex und eine Beratungsstelle bekommen, wie der Verhaltenskodex anzuwenden ist: Auch bei dem Punkt verweist Österreich auf die neuen Verhaltensregeln für Beamte des Justizministeriums – und auch hier begrüßt GRECO die Leitlinien, weißt aber darauf hin, dass die geplanten Compliance-Beauftragten noch nicht eingesetzt worden sind.
Vorschläge zur Prävention
- Es soll eine jährliche Weiterbildung für Richter:innen und Staatsanwält:innen eingeführt werden: Diese Präventionsmaßnahme hat Österreich teilweise umgesetzt. 2019 wurde vom Innenministerium eine zweiwöchige Schulung zum Thema „Prävention und Bekämpfung von Korruption“ angeboten. Pläne für weitere Schulungen im Jahr 2021 soll es auch geben. GRECO fehlen regelmäßige Angebote für diese Ämter.
ResPublica hat das Parlament gefragt, was seit dem Umsetzungsbericht noch verbessert wurde. Das Parlament meint, das sei der „Letztstand“ und verweist auf einen Fortschrittsbericht, der bis zum 30. September 2021 fertig sein muss.
Alles in allem hat sich Österreich in den Augen GRECOs nicht verbessert. Österreichs Behörden haben fünf Jahre gebraucht, um zwei von 19 Punkte umzusetzen. Bei den anderen hat man ein bisserl was gemacht, scheinbar mit der Hoffnung, dass es reicht. Tut es nicht, denn GRECO bleibt dabei: Österreichs Anti-Korruptionsbemühungen bleiben „allgemein unbefriedigend“. Um beim Bild des Anti-Korruptionsexperten Kreutner zu bleiben, heißt das: Österreich ist nach seinem ersten „Fleck“ auch bei der Wiederholungsprüfung durchgefallen.