
Der Anlass: Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) soll in einer Gesetzesnovelle dazu verpflichtet werden, die Wirtschaftsministerin auf Wunsch über alle nationalen Bereiche informieren zu müssen. Das berichtete die ZiB 1. Der Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde Theodor Thanner warnt davor, dass die Unabhängigkeit der Behörde mit diesem Gesetz nicht mehr sichergestellt werden könne. „Das kann nicht im Sinne des Verfassers sein“, so Thanner gegenüber der ZiB. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) versucht zu beruhigen. Sie werde bei laufenden Ermittlungen nicht von diesem Recht Gebrauch machen, sagt sie zum ORF.
Warum das wichtig ist: Die Gesetzesnovelle würde der Wirtschaftsministerin erlauben, über alle Schritte und jedes Verfahren informiert zu werden, wenn sie danach fragt. Selbst, wenn Ministerin Schramböck auf die Berichtspflicht in laufenden Ermittlungen verzichten würde, gibt es keine festgeschriebenen Sicherheitsmechanismen, die die BWB vor Missbrauch schützen.
Alles, was einen Missbrauch dieses Gesetzes verhindert, ist ein Versprechen.
Der geplante Gesetzesentwurf „beinhaltet hinsichtlich der Berichtspflicht keine Einschränkungen, wenn es um den Aufgabenbereich und die Geschäftsführung der BWB im nationalen Bereich geht“, sagt BWB-Pressesprecherin Sarah Fürlinger auf unsere Anfrage.
Die Bundeswettbewerbsbehörde befürchtet, dass sie in Zukunft auf Anfrage der Wirtschaftsministerin unter anderem unverzüglich berichten muss, wenn:
- Hausdurchsuchungen geplant werden und wann sie stattfinden sollen.
- sich Whistleblower bei der BWB gemeldet haben.
- es Beschwerden über Unternehmen gegeben hat (auch bei großen Unternehmen, die den Markt beeinflussen können.)
- nach Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen von Unternehmen gefragt wird.
- gefragt wird, welche Initiativen und Untersuchungen die BWB plant.
Das Fazit der BWB: „Die Weisungsfreiheit und die Unabhängigkeit ist dadurch in Frage gestellt.“
„Die Interpretation der BWB ist nicht nachvollziehbar“, meint Kathrin Schriefer, Sprecherin von Ministerin Schramböck. Sie verweist darauf, dass die Behörde weiterhin unabhängig und weisungsfrei sei. Nach Hausdurchsuchungen könne laut Schriefer nicht gefragt werden.
Worum es grundsätzlich geht: Die Bundeswettbewerbsbehörde soll einen fairen Wettbewerb in Österreich sicherstellen. Sie ist eine Unterstelle des Bundesministeriums für Digitalisierung und des Wirtschaftsstandorts. Die BWB prüft, ob große Unternehmen ihre Macht ausnutzen, Firmen fusionieren dürfen und ob es wo zu Preisabsprachen gekommen ist. Das alles hat negative Auswirkungen auf den Markt und bedeutet höhere Preise für Konsument:innen.
Die Ermittlungen der Behörde führen mitunter zu hohen Strafen: Eine Firma für Poolreinigungsausrüstung wurde zu 294.000 Euro Strafe verurteilt. Eine andere hat sich nicht an Preisbindungen gehalten und wurde zu 378.000 Euro Strafe verurteilt.
Derzeit ermittelt die BWB im Bereich der Abfall- und Bauwirtschaft. Sie hat schon gegen elf Bauträger Anträge auf Strafzahlungen gestellt. Die Strafen können bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes ausmachen. In der Baubranche wären das mehrstellige Millionenbeträge.
Die neue Berichtspflicht stellt auch die Wirtschaftsministerin vor ein Problem: sie riskiert Interessenskonflikte. Einerseits ist sie für eine gute österreichische Wirtschaft zuständig. Andererseits würde sie sich in Zukunft informieren können, welche Branchen die BWB untersuchen wird – und welche Unternehmen betroffen sein könnten. Unternehmen, die für die österreichische Wirtschaft wichtig sind.
Um das zu vermeiden, braucht es BWB-Beamte, die einer Bundesministerin Informationen verweigern, weil es möglicherweise zu einem Interessenskonflikt kommen könnte – ein großer Druck für diese Beamten.
Ein anderes Argument des Wirtschaftsministeriums ist die Kontrolle durch das Parlament: Um auf parlamentarische Anfragen antworten zu können, müsse man sich bei der Behörde informieren dürfen. Die Wirtschaftsministerin sei „auch letztverantwortlich, dass diese zugeordneten Behörden ihre Aufgaben ordnungsgemäß erledigen“, so die Pressesprecherin des BMDW.
Dabei unterliegt die BWB schon jetzt einer Berichtspflicht im Parlament: „Einmal im Jahr wird ein Tätigkeitsbericht veröffentlicht, welcher im Parlament (Wirtschaftsausschuss) vorgestellt wird. Zusätzlich unterliegen die Tätigkeiten der BWB einer gerichtlichen Kontrolle, da die BWB eine Ermittlungsbehörde ist“, so die BWB-Sprecherin.
Als Beispiel für Vorgänge, über die das Wirtschaftsministerium informiert werden sollte, führt es aus: „Beispielsweise hat das BMDW über die bereits stattgefundenen Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der BWB mit dem weißrussischen Wirtschaftsminister nicht von der BWB erfahren, sondern von einer weißrussischen Wirtschaftsdelegation. Auch das Außenministerium war nicht eingebunden. Hier handelt es sich doch um sensible außenpolitische Schritte, die nicht in den Vollzugsbereich einer Wettbewerbsbehörde fallen.“
Das Abkommen zwischen der BWB und dem weißrussischen Wirtschaftsminister wurde im Tätigkeitsbericht 2019 ausgewiesen. Bei dem Abkommen handelte es sich um ein „Memorandum of Understanding“, das bei einer internationalen Tagung in Minsk unterzeichnet wurde. Es ist nicht mehr als ein Versprechen, dass die Behörden weiterhin zusammenarbeiten werden. Ein ähnliches Abkommen wurde schon 2012 unterzeichnet.
Wie es weitergehen könnte: Die Begutachtungsfrist für die Gesetzesänderung beträgt nicht die üblichen sechs Wochen, sondern wurde vom Justizministerium auf drei Wochen festgelegt. (Das Justizministerium hat das Gesetz eingebracht, obwohl es das Wirtschaftsministerium betrifft.) Das Gesetz soll noch vor dem Sommer beschlossen werden.
Nach der Begutachtung geht das Gesetz an den Ministerrat. Wenn dort alle Minister:innen zustimmen, kommt der Entwurf zum Parlament. dort gibt es eine zweite Begutachtungsphase, in der jede:r eine Stellungnahme abgeben kann.
Nach derzeitigen Informationen (Stand: 28. April 2021) wird der Gesetzesentwurf vor dem Ministerrat nicht umgeändert.