Was mit im Ausland verstecktem Korruptions-Geld passiert

"Asset Recovery" ist die Rückführung von gestohlenen Geldern in ihre Ursprungsländer. Die Praxis ist Teil internationaler Verträge und zwischenstaatlicher Abkommen. Es geht um Milliardenbeträge, die in ihrer Heimat viel Gutes tun könnten. Wie sehr sich Österreich an der "Asset Recovery" beteiligt, ist unklar.

Diktatoren, korrupte Politiker:innen und Beamt:innen stehlen das Geld der Steuerzahler:innen und bringen es im Ausland in vermeintliche Sicherheit. Für die bestohlenen Länder beginnt ein Hürdenlauf: Sie müssen gegen Spitzenbeamt:innen oder hochrangige Politiker:innen ermitteln, die Beute nachverfolgen und dafür komplizierte Firmen-Netzwerke entschlüsseln, die nur dazu da sind, das Geld zu verstecken. In den meisten Fällen geht es dabei über viele unterschiedliche Länder in Staaten wie die Schweiz, Luxemburg, die Cayman Islands oder Frankreich. Und das ist oft erst der Anfang: Ist das Geld erst einmal gefunden, stellt sich die Frage, was damit passieren soll.

Der Begriff „Asset Recovery“ beschreibt, wie Länder zusammenarbeiten, um diese Gelder, Immobilien und Wertgegenstände wieder zurückzugeben. Neben Fällen wie Sozialbetrug oder Diebstahl betrifft das eben auch Korruptionsdelikte.

Ein internationales Abkommen

Es ist auch eines der zentralen Instrumente eines internationalen Abkommens der UN: die United Nations Convention Against Coalition wurde 2003 eingeführt und mittlerweile von 187 Staaten, darunter Österreich, unterzeichnet. Neben Prävention und strengen Gesetzen soll eben auch die „Asset Recovery“ im Kampf gegen Korruption eingesetzt werden.

Der Anti-Korruptionsexperte Mathias Huter von der UNCAC Coalition, eine Dachorganisation internationaler Anti-Korruption-NGOs, hat im ResPublica-Interview über die Notwendigkeit guter „Asset Recovery“-Regelungen gesprochen: „Das kann einen großen Impact haben, wenn die Gelder eingesetzt werden, um die Lebensumstände der Menschen im Ursprungsland zu verbessern.“ Viele korruptionsanfällige Länder sind Entwicklungsländer; wenn hunderte Millionen US-Dollar verschwinden, kann das verheerende Auswirkungen auf die Bewohner:innen haben. Gesundheitssysteme können nicht mehr finanziert, Pensionen nicht mehr ausgezahlt werden. Schulen sperren zu, Arbeitsplätze verschwinden.

Ein Fall – vier Milliarden Schaden

Die Vereinten Nationen schätzen, dass Entwicklungsländer jährlich zwischen 20 und 40 Milliarden US-Dollar durch Korruption verlieren. Um wie viel Geld es gehen kann, zeigen Beispiele der StAR-Initiative, die von der Weltbank und dem Anti-Korruptionsbüro der UN ins Leben gerufen worden ist:

  • 2000 wurde der Berater des peruanischen Präsidenten Alberto Fujimori dabei gefilmt, wie er Oppositionelle bestochen hat. Das Geld wurde bis zu den Cayman Islands, Luxemburg, der Schweiz und den USA zurückverfolgt. Der Schaden lag bei rund 250 Millionen US-Dollar. Um 48 Millionen aus der Schweiz zurückzuholen, brauchte es eine Gesetzesänderung und das Geld aus den USA bekamen peruanische Behörden nur, weil man sich mit den USA ausgemacht hat, das Geld in Anti-Korruptionsmaßnahmen zu investieren.
  • Ein nigerianischer Gouverneur wurde 2005 in England verhaftet, nachdem er mindestens 17,7 Millionen US-Dollar aus Nigeria nach London gebracht hatte. Englische Behörden beschlagnahmte sein Vermögen und seine Wohnung in London und gaben das Geld an Nigeria zurück.
  • In Frankreich wurde der Vizepräsident (und Sohn des Präsidenten) von Äquatorialguinea Teodorin Obiang wegen Korruption und Veruntreuung von öffentlichen Geldern verurteilt. Die französischen Behörden haben 177 Millionen US-Dollar gestohlenes Geld beschlagnahmt (das äquatorialguinesische Jahresbudget für den Gesundheitsbereich 2011 war genauso hoch). Es geht um 25 Luxusautos, einen Privatjet, eine 100-Millionen-Dollar-Yacht und ein Palais in Paris, das über 100 Zimmer, ein Kino und Fitnessstudio hat. Das französische Recht sieht eigentlich vor, dass solche Gelder in das Haushaltsbudget fließen. „Moralisch verwerflich“, bezeichnete das das Gericht, was zu einem Umdenken geführt hat. In wenigen Wochen soll das Parlament beschließen, dass solche Gelder an ihre Herkunftsländer zurückgegeben werden.
  • Nigerianische Behörden vermuten, dass der frühere Präsident Sani Abacha vier Milliarden US-Dollar gestohlen und im Ausland versteckt hat. In der Schweiz wurden rund 730 Millionen gefunden. 2017 einigten sich die Länder auf eine Rückzahlung, bei der das Geld für besondere Projekte eingesetzt wird, die von der Weltbank überwacht werden sollen.

Österreich ohne Daten

Und Österreich? Unklar. Unsere Anfrage an das Finanzministerium sorgte für Verwirrung, „Asset Recovery“ scheint kein geläufiger Begriff zu sein. Dabei ist klar geregelt, was Österreich mit solchen Geldern machen darf: entweder ins eigene Budget übernehmen oder an das Ursprungsland zurückgeben. Beides sei vom Gesetz her gedeckt, meint Judith Herrnfeld vom Justizministerium. „Wir haben die UNCAC (United Nations Convention Against Corruption, Anm.) ratifiziert, die gilt also unmittelbar.“ Es gibt hier also zwei Gesetze, die sich eigentlich widersprechen: Geld behalten oder zurückgeben. Das sei aber kein Problem, weil das den Behörden einfach „die Möglichkeit zu verhandeln“ gebe, so Herrnfeld.

Zurück zum Finanzministerium: Das BMF wäre logischerweise die Stelle, die solche Gelder an andere Staaten überweisen müsste. Und wenn sie nicht zurückgeführt, sondern ins österreichische Budget übernommen werden, müsste das auch dort aufschlagen. Doch das BMF hat keine Informationen dazu und verweist auf das BMI (dort sitzt das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, kurz BAK) und das BMJ (dort sitzt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, kurz WKStA), die bei Ansuchen aus dem Ausland tätig werden müssten.

Im BAK gibt es zwar eine eigene „Asset Recovery“-Einheit, ein „Rechtshilfeersuchen ausländischer Strafverfolgungsbehörden“ wegen Korruptionsdelikten sei „an das BAK im Rahmen seiner Zuständigkeiten bis dato noch nicht herangetragen“ worden, sagt ein Sprecher des Innenministeriums. Dafür wird das BAK in anderen Fällen durchschnittlich fünf- bis zehnmal pro Jahr von ausländischen Behörden um Unterstützung gebeten.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat auch keine Daten zur „Asset Recovery“. Das liegt zum Teil an der geringen Anzahl der Fälle, zum Teil an der fehlenden Digitalisierung: Akte werden nicht automatisch statistisch erfasst, sondern müssen mühsam per Hand eingegeben werden. Das soll sich in den nächsten Jahren ändern.

„Statistische Erhebungen werden sicherlich einfacher sein, wenn wir in den nächsten Jahren auf die elektronische Akte umgestellt haben“, sagt auch Herrnfeld, aus der Abteilung für multilaterale Zusammenarbeit in Strafsachen im Justizministerium. „In der Praxis hat bis jetzt noch kein Staat das BMJ um eine ‚Asset Recovery‘ gebeten“, so die Beamtin, die sich für ResPublica intern erkundigt hat. Und Österreich wird in der Regel erst tätig, wenn eine ausländische Behörde um Hilfe anfragt.

Verfahren werden schnell komplex

Die BMJ-Beamtin erklärt auch, wie Ländergrenzen überschreitende Verfahren generell ablaufen – und ein grenzenübergreifender Korruptionsfall ablaufen würde. Zwischen EU-Staaten sei das ganz klar geregelt:

  • Ein Land – sagen wir Spanien – ermittelt, folgt dem Weg des Geldes und findet es im Ausland – in Österreich etwa. Die spanischen Behörden bitten die österreichischen Behörden um Hilfe.
  • Die müssten dann „schnell Sicherstellungsmaßnahmen ergreifen“, damit die Gelder oder Wertgegenstände nicht wieder verschwinden können, so Herrnfeld. „Damit Vermögen in Österreich problemlos eingefroren werden kann, muss das Delikt in beiden Ländern strafbar sein – was bei Korruption meistens kein großes Problem ist.“ Die österreichischen Behörden sichern das Vermögen für Spanien.
  • In Spanien kommt es zu einem Freispruch – dann wird das Vermögen freigegeben – oder zu einem Schuldspruch. „Im Fall eines Schuldspruches im Ausland, beginnt dann in Österreich ein Verfahren, in dem ein Gericht entscheidet, ob das (Vermögen, Anm.) in Österreich eingezogen wird. Innerhalb der EU wird aber eigentlich nur mehr geprüft, ob einer der möglichen Ablehnungsgründe greift. Hier liegt die Philosophie zugrunde, dass EU-Staaten, die die Grundrechtscharta der EU und europäische Menschenrechtskonvention haben, sich auch an die halten. Bei Drittstaaten kann das anders sein.“
  • Was nach der Prüfung passiert, hängt von der Höhe des Vermögens ab: Bis zu 10.000 Euro bleibt das Geld in Österreich, um die entstandenen Kosten zu decken. „Alles was darüber hinausgeht wird brüderlich fifty-fifty geteilt“, sagt Herrnfeld.
  • Wenn es kein EU-Mitgliedsstaat wie Spanien ist, sondern ein Drittstaat, greifen entweder internationale Abkommen wie UNCAC oder Abkommen zwischen den Ländern. Österreich hat so ein Abkommen zum „Asset Sharing“ mit den USA. Bis heute sei das laut BMJ zweimal zum Einsatz gekommen. „Generell sind grenzüberschreitende Einziehungen und Beschlagnahmungen sehr selten.“

Fazit: Wir wissen zu wenig

Es gibt also so gut wie keine Fälle, die den österreichischen Behörden bekannt sind. Es ist auch unklar, wie viel Geld aus Korruptionsfällen in Österreich versteckt oder angelegt ist. Behörden und Ministerien wissen nicht einmal, ob Österreich ein beliebtes Ziel ist, um solche Gelder in Sicherheit zu bringen. Das alles muss nicht einmal die Schuld Österreichs sein, da die zuständigen Stellen in der Regel erst von solchen Geldern erfahren, wenn ausländische Behörden um Mithilfe ansuchen. Aber zumindest einen Überblick sollten sie haben.

Auf der anderen Seite weiß die WKStA auch nicht, wie viel Geld aus Österreich im Ausland versteckt sein könnte oder um wie viele Fälle es sich hier handelt. Das Problem ist das gleiche: eine zu schlechte Datenlage. Das wirft allerdings die Frage auf, wie konsequent Österreich bei Korruptionsdelikten ermitteln kann, wenn die Behörden nicht einmal einen Überblick haben.