Die Arbeiterkammer hat 67, die Wirtschaftskammer 1.582. Greenpeace hat drei. Lobbyisten, nämlich. Und wie viele Interessensvertreter:innen die Industriellenvereinigung hat, weiß nur die Industriellenvereinigung: Das Lobbying-Register sollte grundsätzlich „alle Kontakte mit Funktionsträgern des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände“ auflisten und damit für Klarheit sorgen, wer auf ein Gesetz Einfluss nimmt. Sollte. Denn das seit 2013 öffentliche Register ist wenig mehr als ein Telefonbuch für alle, die eine Lobby-Firma brauchen.
Der Rechnungshof prüfte schon 2019 wie sinnvoll diese Idee umgesetzt ist, und sprach von einem wenig aussagekräftigen Register, dem wichtige Informationen fehlen, das Bürger:innen wenig bis gar nichts bringt und vom zuständigen Justizministerium stiefmütterlich behandelt wird.
Lobbying legitimer Teil des Prozesses
Lobbying – das soll hier ebenfalls gesagt sein – ist ein legitimer und wichtiger Bestandteil eines demokratischen Prozesses. Es geht dabei nicht nur um Einflussnahme, sondern auch um Informationsaustausch. Politiker:innen erfahren von Problemen und Lösungsansätzen, bekommen ein Gefühl dafür, ob Pläne praxistauglich sind und können im Idealfall pro und contra abwägen, und damit ein treffsicheres Gesetz beschließen.
Die Schattenseite sind geheime Deals abseits der öffentlichen Wahrnehmung, durch die sich einige Wenige einen Vorteil verschaffen und die Allgemeinheit dafür zahlen muss. Es braucht klare Regeln, brauchbare Wege, sie zu kontrollieren, und öffentlichen Zugang, schon allein, um den Anschein von korrupten Machenschaften zu verhindern. Das Lobby-Register bewerkstelligt nichts davon.
Unklare Regeln und noch mehr Ausnahmen
Das Gesetz, dass das Lobby- und Interessensvertreter:innen-Register regelt, unterscheidet zwischen verschiedenen Lobby-Arten, die zwar alle das Gleiche machen, für die aber unterschiedliche Regeln gelten. Lobby-Unternehmen haben Veröffentlichungspflichten und müssen sich einem Verhaltenskodex unterwerfen (der nicht einmal Mindeststandards haben muss). Interessensverbände müssen das nicht. So dürfen sich Sozialpartner zum Beispiel Informationen auf “unlautere” Weise beschaffen und “unangemessenen” Druck auf Funktionsträger:innen ausüben.
“Von den gesetzlichen Prinzipien der Lobbying–Tätigkeit und Interessenvertretung – wie keine unlautere Beschaffung von Informationen und kein unangemessener Druck auf Funktionsträgerinnen und -träger – waren Sozialpartner und kollektivvertragsfähige Interessenverbände ausgenommen.”
Rechnungshof
Wieder andere werden vom Gesetz überhaupt gleich ausgenommen: Rechtsanwält:innen, gesetzliche Sozialversicherungsträger, Kirchen und politische Parteien müssen gar nichts an das Register melden. Ein Aspekt, der schon bei der Einführung für viel Kritik gesorgt hat. Die Befürchtung war, dass so einfache Umgehungsmöglichkeiten geschaffen wurden.
Wo keine Kontrolle…
Umgehungsmöglichkeiten, die eigentlich nicht notwendig sind, denn das Lobby-Register wird gar nicht kontrolliert. Das Justizministerium sagt, dass es nur fürs Führen zuständig ist aber nicht fürs Kontrollieren. Es ist also komplett unklar, ob die angegebenen Daten stimmen und sich alle eingetragen haben, die das eigentlich müssten.
Bei der Einführung rechnete man mit rund 2.500 Unternehmen, acht Jahre später sind es gerade mal 352 Interessensvertreter:innen. Die – laut Rechnungshof unzureichenden – Sanktionsmaßnahmen kamen auch noch nie zum Einsatz, weil – wie schon gesagt – das Justizministerium gar nicht kontrolliert und auch sonst keine Behörde.
…da keine Transparenz
Außerdem sind aussagekräftige Informationen entweder nicht öffentlich oder werden gar nicht erfasst: Die Telefonnummer einer Firma kann zwar interessant sein, Bürger:innen interessiert aber wohl eher für wen Lobbyist:innen Gesetze beeinflussen wollen. Und diese Informationen sind nicht zugänglich.
„Nicht erfüllt war das eigentliche Ziel, nämlich Offenheit und Transparenz über den Einfluss von Lobbyistinnen und Lobbyisten sowie Interessensvertreterinnen und -vertretern auf die Gesetzgebung und die Vollziehung zu schaffen.“
Rechnungshof
2019 hat der Rechnungshof festgestellt, dass Bürger:innen jährlich 136.000 Mal auf das Register zugreifen, während der nicht-öffentliche Teil, in dem Lobbying-Verträge stehen, zwischen 2013 und 2018 von einer einzigen Funktionsträgerin abgerufen worden ist.
„Für die Öffentlichkeit war vielfach nicht einmal ersichtlich, in welchen Bereichen Lobbying betrieben wurde.“
Rechnungshof
Die Einschätzung des Rechnungshofs ist vernichtend: „Nicht erfüllt war das eigentliche Ziel, nämlich Offenheit und Transparenz über den Einfluss von Lobbyistinnen und Lobbyisten sowie Interessenvertreterinnen und -vertretern auf die Gesetzgebung und die Vollziehung zu schaffen.“ Und weiter: „Für die Öffentlichkeit war vielfach nicht einmal ersichtlich, in welchen Bereichen Lobbying betrieben wurde.”
Es lässt sich aus dem Register nicht einmal vergleichen, wie viel Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Industriellenvereinigung und Greenpeace für Lobby-Tätigkeiten ausgeben:
- Die Arbeiterkammer weist im Register 67 Personen und knapp 6 Millionen Euro an Kosten aus.
- Die Wirtschaftskammer weist die Zahl nicht aus, sondern verlinkt auf die eigene Webseite. Dort gibt es ein 25-seitiges Dokument, in denen jedes Bundesland und jede Sparte einzeln aufgelistet sind. Nach mühsamen Zusammenrechnen kommt man auf 1.582 WKO-Interessensvertreter:innen und Lobby-Kosten von über 35 Millionen Euro. Allein für 2020.
- Greenpeace gibt im Register an, dass sie drei Interessensvertreter:innen beschäftigt. Die Kosten von 155.000 Euro bestätigt ein Wirtschaftsprüfer.
- Die Industriellenvereinigung hat weder Zahlen ins Register eingetragen, noch Informationen auf ihrer Webseite. Erst auf Nachfrage wurde uns die Daten genannt. Die Pressesprecherin reagierte auf keine ResPublica-Anfragen.
Verbesserung nicht in Sicht
Im Oktober 2020 war der Rechnungshof-Bericht Thema im zuständigen Ausschuss des Parlaments. Dort hat Justizministerin Alma Zadić angekündigt, das Gesetz evaluieren zu lassen, um Schwächen beheben zu können. Auf Nachfrage beim BMJ heißt es jedoch, dass sich die Arbeitsgruppe im letzten Jahr nur zweimal getroffen hat. Nichtsdestrotz arbeite die zuständige Fachabteilung „aktuell an einem Schlussbericht der Arbeitsgruppe, der im Laufe des Herbst veröffentlicht werden soll“, so eine Pressesprecherin, die sich zu Vorschlägen des Justizministeriums bedeckt hielt.
Das Ministerium bleibt auch weiterhin bei der Sichtweise, dass „das BMJ nach aktueller Rechtslage für die Infrastruktur zuständig ist“. Inhaltlich prüfe man nur soweit, dass Unternehmen und Interessensvertreter:innen ihre Daten jährlich aktualisieren müssen. Wie gut das funktioniert, zeigt allerdings das Beispiel Industriellenvereinigung.