Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) muss der Wirtschaftsministerin in Zukunft Auskunft zu ihrer Arbeit geben, wenn die Ministerin nachfragt. Ein erster Entwurf der Regierung sah keine Mechanismen vor, die vor einem Missbrauch geschützt hätten. Nach Kritik an den Berichtspflichten ohne Einschränkungen wurde der Entwurf jetzt etwas entschärft. Die Bundeswettbewerbsbehörde kritisiert den neuen Entwurf dennoch: Auch mit dem entschärften Gesetz sei man weniger unabhängig als davor.
Warum das wichtig ist: Der Gesetzesentwurf musste entschärft werden, nachdem die Behörde selbst gewarnt hatte, dass die Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit dadurch in Frage gestellt seien. Jetzt sollen Fragen zu Hausdurchsuchungen und zu laufenden Ermittlungen vom Fragerecht ausgenommen sein, außerdem ist jetzt von „Gegenstände der Geschäftsführung“ die Rede. Davor war es noch die „komplette Aufgabenerfüllung“ der BWB.
Das Wirtschaftsministerium könnte trotzdem weiterhin Zugang zu heiklen Informationen haben. Ministerin Margarete Schramböck bezeichnete sich selbst als „oberste Anwältin der Betriebe“ und darf durch das Gesetz nun Informationen aus der Aufsichtsbehörde verlangen – Interessenskonflikte des Ministeriums scheinen programmiert. Das befürchtet auch der Leiter der Bundeswettbewerbsbehörde Theodor Tanner: „Wenn sich die Frau Minister als oberste Anwältin der Betriebe versteht, ist das ein klassischer Zielkonflikt.“
Worum es grundsätzlich geht: Die Bundeswettbewerbsbehörde ist eine unabhängige und weisungsfreie Stelle, die faire Marktbedingungen feststellen soll. Sie untersteht dem Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. „Die Behörde geht gegen Kartelle, bspw. wie Preisabsprachen zwischen Wettbewerbern vor, analysiert Fusionen ob diese für den Wettbewerb und somit für den Konsumenten bzw. Konsumentin schädigend sind und ermittelt gegen Unternehmen, die ihre Marktmacht missbrauchen“, erklärt die BWB.
Das Wirtschaftsministerium hat schon beim ersten Entwurf Ende April gemeint, dass nach Hausdurchsuchungen nicht gefragt werden könne. Jetzt steht das auch so im Gesetzesentwurf. Außerdem argumentierte die Presseabteilung damals mit den Berichtspflichten der Ministerin vor dem Parlament: Um deren Anfragen beantworten zu können, müsse das BMDW bei der Behörde nachfragen können, so eine Sprecherin.
Ganz so ist es dann doch nicht: Die Presseabteilung des BWB sagte gegenüber ResPublica, dass man bei parlamentarischen Anfragen immer bereit gewesen sei mitzuhelfen. Das sei aber selten vorgekommen. Außerdem muss die BWB dem Parlament schon jetzt einen jährlichen Tätigkeitsbericht vorlegen, womit laut EU-Parlament die angemessenen Rechenschaftspflichten der Behörde abgedeckt seien – auch damit argumentierte das Ministerium die neuen Berichtspflichten.
Mit Blick auf mögliche Interessenskonflikte des Ministeriums fordert auch das Anti-Korruptionsvolksbegehren, dass die Wettbewerbsbehörde vom Wirtschaftsministerium gelöst und dem Justizministerium zugeordnet werden soll. Auch der Leiter der BWB kann dieser Idee etwas abgewinnen: „Wir wären bei der Justiz besser angesiedelt. Wir ermitteln ja vom Schema her ähnlich wie die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.“ Die SPÖ hat einen entsprechenden Antrag im Justizausschuss eingebracht.
Das Fazit der Bundeswettbewerbsbehörde ist eindeutig: Obwohl der jetzige Gesetzesentwurf weniger restriktiv ist als der vorangegangene, ist es immer noch eine Verschärfung zur jetzigen Lage. Die BWB befürchtet nicht nur wegen den Berichtspflichten (von denen unklar ist, wie sie in der Praxis ausgelegt werden) Einschnitte bei der Unabhängigkeit, sondern auch, weil die Behörde vom Wirtschaftsministerium budgetär abhängig ist. Das sei eine Schraube an der gedreht werden könnte. „Es gibt aufgrund dieser Berichtspflicht verstärkte Abhängigkeiten und Einflussmöglichkeiten“, so ein Sprecher.
Das sagen die Parteien:
- Der ÖVP-Parlamentsklub hat sich geweigert zu sagen, ob sie für eine Neuzuteilung der BWB ins Justizministerium ist. Solche Informationen würden erst nach der Ausschusssitzung kommentiert werden, hat uns die Pressestelle der Volkspartei gesagt.
- Der Grüne Klub verbucht die Entschärfungen als Verhandlungserfolg für sich: „Die Position der Grünen wurde dadurch gestärkt und wir konnten besonders bei der Berichtspflicht einige Änderungen, z.B. Aufnahme des Vorschlag des OGH bzgl. laufender Ermittlungen, Formvorschrift der Schriftlichkeit, Fristigkeit zur Beantwortung, etc., durchsetzen. Im Justizausschuss wurde dies von allen Fraktionen ausdrücklich begrüßt und der vorliegende Gesetzesvorschlag dahingehend gelobt.“ Bei der Frage, ob die BWB dem Justizministerium unterstellt werden soll, wollen sich die Grünen nicht positionieren und sprechen lieber von „einer gesamthaften Organisationsbeurteilung“.
- Die SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim sagt uns: „Auch wenn bei der Berichtspflicht Änderungen vorgenommen wurden, bleibt die Tatsache, dass die Bundeswettbewerbsbehörde keine eigene Budgethoheit hat und nicht über ausreichende Mittel verfügt. Auch die entschärfte Berichtspflicht ist ein weiterer Schritt dazu, Korruptionsbekämpfer*innen an die Kandare zu nehmen. Die Vorgabe der EU-Richtlinie, die Wettbewerbsbehörde zu stärken, wird auch mit der Regierungsvorlage nicht erfüllt.“
- Die FPÖ hat weder auf Mails noch Anrufe reagiert, sollte sich das ändern, wird der Artikel aktualisiert.
- Die Neos kritisieren, dass sich die Wettbewerbsbehörde nicht mehr „im gleichen Maße an der öffentlichen Diskussion beteiligen kann“, wollen die BWB aber nicht ins Justizministerium umsiedeln. Zum Volksbegehren meinen sie: „Zahlreiche Forderungen im Begehren werden von NEOS unterstützt. Die Verlegung der Zuständigkeit ins Justizministerium trägt unserer Ansicht nach nicht zu einer unabhängigeren Wettbewerbsbehörde bei. Die Konzentration aller Behörden auf ein Ressort könnte dann negative Konsequenzen haben, wenn z.B. durch einen Regierungswechsel eine weniger integre Person Justizminister_in wird. Das unterstreicht die Notwendigkeit von klaren Regeln im Zusammenhang mit der Berichtspflicht. Wegen der vielen anderen Forderungen werden wir das Begehren aber unterstützen.“
Das sagt die EU: Die EU sagt uns sinngemäß, dass ihr egal ist, wie die nationalen Regeln ausschauen, solange sichergestellt ist, dass die Wettbewerbsbehörden die EU-Vorgaben erfüllen, unabhängig arbeiten können und die notwendigen Ressourcen und Befugnisse haben.