Im Justizministerium trifft sich im Mai eine Arbeitsgruppe, die über die Einführung eines legislativen Fußabdrucks diskutieren soll. So soll klar sein, welche Interessensvertretungen bei Gesetzesinitiativen mitgearbeitet haben und welche ihrer Vorschläge es ins Gesetz geschafft haben. Wie genau ein legislativer Fußabdruck funktioniert und wie er konstruiert sein muss, um gut zu funktionieren, haben wir in diesem Artikel zusammengefasst.
In mehreren Ländern ist so eine transparente Regelung schon Gang und Gäbe. Der Ansatz ist dabei sehr unterschiedlich. Oft ist die Idee eines Fußabdrucks schon im Gesetzgebungprozess verankert und manchmal entscheiden sich Entscheidungsträger:innen einfach, Einflüsse öffentlich zu machen, selbst wenn sie das nicht müssten.
Die Regeln in anderen Ländern
Dänemark: In Dänemark gibt es keine Regeln für einen legislativen Fußabdruck. Im Parlament hat man einfach begonnen zu veröffentlichen, wer sich bei einem Gesetzesentwurf eingebracht hat. Was Interessensvertretungen an einen parlamentarischen Ausschuss schicken, wird veröffentlicht.
Später hat auch das Justizministerium aus der parlamentarischen Praxis eine Richtlinie gemacht. Seitdem ist öffentlich zugänglich, wer von Ministerien bei Gesetzesinitiativen angesprochen wurde und wie sie reagiert haben. Das geht aus einem Dokument des deutschen Bundestages aus 2017 hervor.
Estland: Der Prozess für ein neues Gesetz beginnt in Estland mit einer Erklärung, was das Gesetz bewirken soll. Das hilft allen, die davon betroffen sind, sich von Anfang an einzubringen. Auf allen drei Ebenen (Ministerium, Regierung & Parlament) gibt es eigene Webseiten „mit einem Dokument, das die Hintergründe erklärt und die Positionen der Stakeholder auflistet und zeigt, wie Entscheidungen zustandekommen“, erklärt Carina Paju von Transparency International Estland. Diese Zusatztexte sind laut Paju generell informativ, wenn auch schwer zu finden. Das Justizministerium habe aber schon angekündigt, hier transparenter zu werden und eine eigene Plattform für Gesetzesinitiativen zu machen.
Obwohl Estland als eines der besseren Beispiele für einen funktionierenden Fußabdruck gilt, hat es auch seine Probleme: Alles was außerhalb der offiziellen Prozesse – also runde Tische oder offiziell eingereichte Vorschläge – passiert, bleibt intransparent. Dazu zählen auch Treffen zwischen Lobbys und Ministeriumsmitarbeiter:innen. Laut Paju gibt es aber auch hier Bewegungen zu mehr Transparenz.
Finnland: Ähnlich wie Dänemark braucht Finnland kein eigenes Gesetz, den Fußabdruck gibt es automatisch. „Die allgemeinen Vorgaben zur Erstellung von Gesetzentwürfen durch die Regierung schreiben jedoch vor, dass in der Begründung des Entwurfs sämtliche öffentlichen und nichtöffentlichen Akteure aufgelistet werden, die an der Ausarbeitung des Entwurfs beteiligt wurden“, schreibt der deutsche Bundestag.
Auch in den Ausschussberichten muss angeführt werden, welche Sachverständige involviert waren und was vorgeschlagen worden ist. Das Problem der finnischen Lösung: Diese Berichte werden erst veröffentlicht, wenn das Gesetz schon beschlossen wurde.
In der Praxis scheint das aber anders abzulaufen: Während offizielle Anhörungen dokumentiert werden, gibt es keine gesonderten Pflichten für einzelne Personen. Maki Laakso von Transparency International Finland schreibt auf unsere Anfrage, dass Mitglieder der Ausschüsse ihre Treffen mit Lobbyist:innen ebenso wenig veröffentlichen müssen, wie Minister:innen und deren Personal, wenn sie eine Regierungsvorlage erarbeiten.*
Frankreich: Im französischen Recht gibt es keinen explizit geregelten legislativen Fußabdruck. Dort will man das über ein Lobbyregister lösen. Das war ursprünglich auch gut aufgesetzt, Transparency International Frankreich nennt es „eines der besten rechtlichen Rahmenbedingungen im Umgang mit Lobbying der Welt“, und trotzdem gibt es Probleme bei der Umsetzung. Das Lobbyregister sollte viele Informationen über Interessensvertreter:innen beinhalten, in den knapp vier Jahren seit Einführung gibt es aber nur mehr rudimentäre Angaben, vergleichbar mit dem österreichischen Lobbying- und Interessensvertretungsregister.
Grundsätzlich ist es gelebte Praxis, dass Ministerien und Parlament Interessensvertretungen zuhören, im Zweifelsfall aber die Interessen der Allgemeinheit höher einordnen.
Was einem Fußabdruck am nächsten kommt, ist die Regelung für parlamentarische Ausschüsse: Dort müssen Listen von Personen geführt werden, die in irgendeiner Form involviert waren. Das kann auch Interessensvertreter:innen betreffen.
Slowenien: Die Geschäftsordnung regelt seit 2017 einen legislativen Fußabdruck. Neben Namen und Auftraggeber:innen werden auch Honorare bzw. Kosten erfasst, die beim Lobbying entstanden sind. Diese Informationen müssten auch veröffentlicht werden, erklärt Alma Sedlar von Transparency International Slowenien. In der Praxis passiert das allerdings nicht.
Sedlar erklärt, wie ihre eigenen Anmerkungen an einem Gesetzesentwurf erfasst wurden: Transparency International Slowenien war eine von 36 Interessenvertretungen, die von der Regierung angefragt worden sind. Wer geantwortet hat – und was davon ins Gesetz gekommen ist – sollte zwar erfasst werden, wird es aber nicht. Bei der Übermittlung ans Parlament, gebe die Regierung nur mehr die Auskunft, ob jemand für die Mitarbeit bezahlt worden sei, so Sedlar. „Ohne Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz und einen Überblick über potenzielle Lobbykontakte gibt es (normalerweise) keine verwendbaren Daten, die einen umfassenden legislativen Fußabdruck darstellen würden, der es Bürgern ermöglicht, zu sehen, wer den Gesetzesvorschlag wie beeinflusst hat“, schreibt Sedlar.
Berliner Regelung vielversprechendster Ansatz
Norman Loeckel von Transparency International Deutschland sieht bei allen bekannten Beispielen Probleme. Bei vielen Regelungen gebe es einfache Umgehungsmöglichkeiten oder zu späte Veröffentlichungspflichten. Und am Ende hängt viel davon ab, wie transparent die Gesetzgeber:innen sein wollen.
Die beste Version eines legislativen Fußabdrucks ist seiner Meinung nach eine Weiterentwicklung der Berliner Regelung, wenn man sie noch um einen Punkt erweitert: Verordnungen sollten von der Offenlegungspflicht auch betroffen sein.
PS: Wir haben noch mehr Expert:innen in europäischen Ländern um ihre Einschätzung gebeten, bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aber noch keine Antwort bekommen. Sobald sie kommt, wird der Artikel aktualisiert. (18.05.2021)
*Aktualisierung 26.5.2021: Die finnische Transparenz-Expertin Mari Laakso hat uns geantwortet. Wir haben Ihre Einschätzung ergänzt.