Kurz erklärt: Verschiedene Arten der Demokratie

Die Politologin Sylvia Kritzinger stellt die verschiedenen Systeme einer Demokratie vor. Sie erklärt drei davon näher – und: wie Menschen in Österreich über die Demokratie denken.

i
Foto: Jeremy Brooks (CC BY NC 2.0)

Der Anlass: Sylvia Kritzinger vom Institut für Staatswissenschaften der Universität Wien hat bei einer Tagung am 4. Februar 2021 zu “Narrativen der Demokratie” über verschiedene Ansätze eines Staates gesprochen.

Warum ist das wichtig? Die Forscherin erklärt in ihrem Vortrag: Es gibt verschiedene Ansichten darüber, wie ein demokratischer Staat gestaltet sein soll. Und das führt bei manchen Themen zu Konflikten.

Worum geht es grundsätzlich? Es geht um die Frage, welche Aufgabe ein Staat überhaupt haben soll. Laut Kritzinger gibt es verschiedene Ansätze, die unter sich unter anderem an der Frage scheiden, was wichtiger ist – Freiheit oder Gleichheit? Die beiden Begriffe seien zwar nicht die einzigen, die einer Demokratie die Richtung vorgäben, aber wichtiger als viele andere. Und: Freiheit und Gleichheit stünden sich bei manchen Themen gegenseitig im Weg, obwohl sie keine Gegensätze sein müssten.

“Freiheit ist der Schutz des Einzelnen vor der Macht des Staates”, sagt Kritzinger.

Gleichheit kann zweierlei heißen: Entweder spricht man von einem Staat, der dafür sorgt, dass alle Menschen im Land die gleichen Voraussetzungen haben. In der Forschung heißt das “Equality of Opportunities”. Oder es beschreibt einen Staat, der für gleiche Chancen zwischen den Bevölkerungsgruppen sorgen soll. Das nennt die Forschung “Equality of Conditions”.

“Freiheit und Gleichheit stehen selten in Balance zueinander. Wenn ich viel Freiheit gebe, baue ich an der Gleichheit zurück. Und wenn ich viel Gleichheit gebe, baue ich an der Freiheit zurück. Diese Quadratur des Kreises ist im Endeffekt sehr schwierig zu gestalten.

Sylvia Kritzinger, Universität Wien

Diese Abwägung zwischen Freiheit und Gleichheit führt zu drei verschiedenen Systemen, die sich darin unterscheiden, wie die Verantwortung über das eigene Leben und die Gesellschaft geregelt wird:

  1. Libertäre/freiheitliche Demokratie: Hier geht es vor allem um die:den Einzelne:n. Jede:r ist selbst dafür verantwortlich, was sie:er im Leben erreicht. Der Staat und die Politik sollen sich da nicht einmischen. Die Bürger:innen kümmern sich selbst um das wirtschaftliche und soziale Zusammenleben. Die Freiheit ist wichtig, Solidarität und Gleichheit sind es weniger. Soziale Ungleichheit wird für die persönliche Freiheit in Kauf genommen.
  2. Liberale Demokratie: Der Staat übernimmt hier wichtige Funktionen wie den Betrieb von Krankenhäusern und Schulen – weil er dafür sorgen soll, dass alle Menschen dieselben Chancen im Leben haben. Bei Konflikten zwischen Freiheit und Gleichheit steht in der liberalen Demokratie meistens die Freiheit an erster Stelle.
  3. Soziale Demokratie: Der Staat ist für das Wohlergehen seiner Bürger:innen verantwortlich. Sie haben soziale Rechte, die ihnen die gleichen Chancen im Leben ermöglichen sollen. In der sozialen Demokratie ist der Sozialstaat gut ausgebaut, denn er soll die Bürger:innen absichern. Hier wird die Freiheit Einzelner eingeschränkt, wenn es das Gebot der gleichen Chancen verlangt.

In Österreich ist die soziale Demokratie stärker ausgeprägt als in anderen Ländern. Bei einer Befragung waren 2018 mehr als die Hälfte der Befragten der Meinung, dass die staatliche Unterstützung von Arbeitslosen “ein notwendiger Bestandteil für eine Demokratie” sei. Ein ähnliches Ergebnis zeigen auch die Antworten auf die Frage, ob der Staat Reiche besteuern und Arme unterstützen soll.

Die Untersuchungen zeigen aber auch etwas anderes: Die Erwartungen von Bürger:innen an den Staat verändern sich mit der Zeit. Kritzinger hat untersucht, wie Bürger:innen in Österreich zu Freiheit und Gleichheit stehen – und standen.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von datawrapper.dwcdn.net zu laden.

Inhalt laden

Ihr Ergebnis: 2018 waren 51 Prozent der Befragten der Meinung, dass jede:r Bürger:in “mehr Verantwortung für sich selbst übernehmen” sollte. 1990 sagten das noch 73 Prozent der Befragten.

Im Vergleich dazu: Die Meinung, dass der Staat mehr Verantwortung für die Absicherung seiner Bürger:innen übernehmen sollte, ist zwischen 1990 und 2018 von 13 auf 23 Prozent gestiegen. 

Die Frage nach der Eigenverantwortung wurde auch in mehreren Politikfeldern abgefragt – zum Beispiel im Klimaschutz. Das Ergebnis sei ähnlich gewesen: “Der Staat wird hier sehr stark nach vorne gegeben. Die Eigenverantwortung wird zurückgedrängt, eben auf Kosten der Freiheit”, erklärt Kritzinger.

Zurückhalten soll sich der Staat nach Meinung der Befragten bei der Überwachung. Daten vor und während der Covid-19-Krise zeigen, dass ein geheimes Sammeln von Daten oder das Überwachen von E-Mails und dem Internetverkehr für eine Mehrheit nicht in Ordnung geht.

Was man tun kann: Die Politologin spricht sich am Ende ihres Vortrages für “Townhall Meetings” aus, also Bürger:innenversammlungen. Dort könne man mit Bürger:innen über die verschiedenen Systeme reden und so besser herausfinden, was sich Menschen vom österreichischen Staat erwarten. Denn die Forschung zeigt, dass Demokratie ein lebendiger Prozess ist, der sich immer wieder verändert.