Kurz erklärt: Der „legislative Fußabdruck“ in der Gesetzgebung

Die FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst fordert in einem Entschließungsantrag einen "legislativen Fußabdruck", um Lobbying transparenter zu machen. Wie so ein Gesetz aussehen müsste.

Lobbyisten können derzeit unbemerkt Gesetze beeinflussen. Ein legislativer Fußabdruck soll das verhindern. Credit: ResPublica

Der Anlass: Die FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst hat Ende März 2021 einen Entschließungsantrag ins Parlament eingebracht. Darin fordert sie die Einführung eines “legislativen Fußabdrucks”. Ein legislativer Fußabdruck ist eine Auflistung von Personen, Unternehmen, Verbänden und staatlichen Stellen, mit denen die Regierung über ein neues Gesetz gesprochen hat. So soll es möglich werden nachzuverfolgen, wer bei der Entstehung eines Gesetzes Vorschläge gemacht hat, welche Empfehlungen in den Gesetzesentwurf übernommen wurden und mit wem die Regierung gar nicht geredet hat.

“Vor dem Hintergrund der Frage ob Politik käuflich ist, jüngst im Zusammenhang mit der Hausdurchsuchung bei Finanzminister Blümel diskutiert, gilt es mögliche lnteressenskonflikte bei der Erstellung einer Regierungsvorlage sichtbar und entsprechend politisch einordenbar zu machen um ein Gewinn an Transparenz zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger zu erzielen”, argumentiert Fürst in ihrem Antrag.

Warum das wichtig ist: Treffen zwischen Regierungsvertreter:innen, Expert:innen und Interessensvertreter:innen (Lobbyist:innen) können direkten Einfluss auf Gesetzesentwürfe haben. Deshalb ist es wichtig, dass diese Treffen – und wichtiger noch – die Forderungen der Interessensvertreter:innen offengelegt werden.

So kann einerseits klar nachverfolgt werden, wie ein Gesetz zustande gekommen ist und wer alles Einfluss darauf hatte. Andererseits wird schnell offensichtlich, ob die Gesetze einseitig entstanden sind. Hat die Regierung die Forderung einer Seite übernommen und sich mit der anderen Seite nicht einmal getroffen?  Bürger:innen haben das Recht zu erfahren, welche Interessen eine Regierung vertritt.

Auch der Rechnungshof hat die Lobbygesetze Österreichs kritisiert und empfiehlt einen legistischen Fußabdruck.

Anfang März 2021 überprüfte GRECO (eine Institution der EU gegen Korruption) die Republik Österreich, wie viele Vorschläge im Kampf gegen Korruption der EU-Mitgliedsstaat schon umgesetzt hat. Von 19 Vorschlägen hat Österreich zwei umgesetzt. GRECO sprach sich auch für die Einführung eines legislativen Fußabdrucks aus.

Worum es grundsätzlich geht: Bei Gesetzesinitiativen treffen sich Regierungsvertreter:innen immer wieder mit Expert:innen und Interessensvertreter:innen. Das ist oft ein wichtiger Schritt im Prozess: Interessensvertreter:innen und Expert:innen können von derzeitigen Problemen erzählen und Lösungen vorschlagen. Einerseits soll das sicherstellen, dass ein Gesetz auch praxistaugliche Lösungen bringt und nicht am Problem in der Realität vorbeigeht. Andererseits bringt das auch das Risiko mit sich, dass Interessensverteter:innen durch bestimmte Formulierungen ihre Forderungen in einem Gesetz unterbringen, die ihrem Bereich bestimmte Vorteile verschaffen.

Der legislative Fußabdruck soll diese Einflüsse öffentlich machen. “Wenn ich konkret die Positionspapiere oder die längere E-Mail habe, in der die Vorschläge stehen, die eingebracht werden, weiß ich konkret, wer einen Einfluss ausgeübt hat, der auch umgesetzt wurde”, sagt Norman Loeckel von Transparency International Deutschland. Im Bundesland Thüringen gibt es schon einen legislativen Fußabdruck, in Berlin wird gerade einer eingeführt.

In Deutschland wurden bei der Novelierung eines Finanzgesetzes der Vorschlag des Bankenverbandes fast wortwörtlich übernommen. Das Ergebnis war der Cum-Ex-Skandal: Ein komplizierter Fall, der den Steuerzahler:innen in ganz Europa am Ende mehrere Milliarden Euro gekostet hat.

Loeckel argumentiert, dass die Gesetzesänderung so nicht stattgefunden hätte, wenn die Öffentlichkeit selbst ein Auge draufwerfen hätte können. “Deshalb ist wichtig, dass die konkreten Vorschläge und Formulierungen offengelegt werden, damit klar wird ob eine Gruppe bevorzugt wurde.”

Wie so ein Gesetz ausschauen sollte: Die bisherigen Regelungen in europäischen Ländern haben laut Loeckel alle das gleiche Problem: es gibt Ausnahmen. Sobald es Ausnahmen gibt, kann die Regelung umgangen werden. Gesetze werden beeinflusst, ohne dass es die Bürger:innen erfahren.

  • Es darf keine Ausnahmen geben: “Es müssen alle erfasst sein, die mit Vorschlägen an eine Regierung herantreten”, so Loeckel. Damit meint er auch Bundesländer, Sozialpartner oder Verbände. “Sie üben Einfluss aus, also muss dieser Einfluss offengelegt werden”, sagt der Transparenz-Experte.
  • Ein legislativer Fußabdruck muss auch Verordnungen erfassen: In Verordnungen wird oft geregelt, wie ein Gesetz zu verstehen und anzuwenden ist. Es ist also wichtig, dass die Einflüsse auch bei Verordnungen gekennzeichnet werden.
  • Verpflichtende Offenlegungspflichten: In Thüringen hat der Fußabdruck laut Transparency International einen großen Makel. Interessensvertreter:innen müssen erst zustimmen, bevor ihre Vorschläge veröffentlicht werden dürfen. Wenn sie das nicht tun, bleibt es geheim. “In Thüringen gab es Gesetzesentwürfe, bei denen die Hälfte aller involvierten Lobbyisten verborgen geblieben sind”, so Loeckel. Das bedeutet auch eine gesetzliche Einschränkung des Datenschutzes. Das öffentliche Interesse hat hier Vorrang.
  • Die Einflüsse müssen gleichzeitig mit den Gesetzesentwürfen veröffentlicht werden. Den größten Einfluss haben Lobbyist:innen laut dem Experten auf den ersten Gesetzesentwurf.
  • Die Bundesregierung sollte die eingebrachten Vorschläge in der Gesetzesbegründung kommentieren. So wird auf einen Blick klar, welche Positionen die Regierung übernommen hat und welche nicht. “Das ist übrigens auch von großem Vorteil für die Regierung selbst, denn hier kann sie die Narrative gestalten”, stellt Loeckel in den Raum. Eine Regierung habe hier die Möglichkeit der Kritik vorzugreifen. 

Das sagen die Parteien: Wir haben die Parlamentsklubs gefragt, wie sie zu einem legislativen Fußabdruck stehen. Nur die ÖVP konnte uns kein Statement dazu schicken. Es ginge sich zeitlich beim Parlamentsklub der Regierungspartei nicht aus.

  • ÖVP:
  • SPÖ: Jörg Leichtfried, Verfassungssprecher seiner Partei, spricht sich für so eine Regelung aus und wünscht sich auch eine Offenlegung, wenn ein Ministerium ein Gesetz nicht selbst schreibt, sondern es von einer externen Anwaltskanzlei schreiben lässt. “Außerdem soll das Ministerium offenlegen müssen, welche Stellungnahmen aus dem Begutachtungsverfahren einbezogen wurden, was auch die Bedeutung des Begutachtungsverfahrens erhöhen würde”, so Leichtfried. Er lobt aber auch den transparenten Prozess, wenn das Gesetz erst einmal im Parlament behandelt wird. Einen Entwurf, wie so ein Fußabdruck ausschauen sollte, hat die SPÖ nicht.
  • FPÖ: Die Freiheitlichen haben den Antrag zur Einführung des Fußabdrucks eingebracht. Die Ausarbeitung des Gesetzes erwarten sie nun von der Bundesregierung. „Auszuweisen soll der legislative Fußabdruck für Lobbying-Unternehmen, Unternehmen, die Unternehmenslobbyisten beschäftigen sowie Lobbyisten und Unternehmenslobbyisten gemäß Lobbying- und Interessenvertretungs-Transparenz-Gesetz sein“, erklärt die FPÖ. Eine Einschränkung des Datenschutzes sieht sie kritisch.
  • Grüne: “Aus Gründen der Transparenz befürworten wir die Einführung eines legislativen Fußabdrucks”, sagt der Grünen-Nationalratsabgeordnete David Stögmüller und verweist auf eine Arbeitsgruppe im Bundesministerium für Justiz.
  • Neos: “Ja, wir NEOS sind klar für den legislativen Fußabdruck. Der Rechnungshof hat erst vor kurzem in einem RH Bericht festgestellt, wie intransparent Lobbying in Österreich abläuft und empfahl die Einführung eines legislativen Fußabdrucks zu prüfen. Das wäre ein wichtiger Schritt für Transparenz in der Gesetzgebung”, sagt Nikolaus Scherak, Verfassungssprecher seiner Partei. Einen Entwurf, wie so eine Regelung ausschauen sollte, hat Neos nicht.

Die Österreichische Public Affairs Vereinigung – die Interessensvertretung der Lobbyist:innen – hat unsere Anfrage bis zur Veröffentlichung nicht beantwortet. Wenn sie uns noch antworten, ergänzen wir den Artikel.

So geht es weiter: Im Regierungsprogramm von ÖVP und den Grünen gibt es dazu nichts. So ein Fußabdruck steht aber laut Justizministerium auf der Agenda. Nach Kritik des Rechnungshofes reagierte das Ministerium und es wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Die wird sich im Mai zum zweiten Mal treffen. “In diesem Rahmen wird auch das Thema legistischer Fußabdruck diskutiert werden”, sagt Julian Ausserhofer, Pressesprecher von Justizministerin Alma Zadic (Grüne). Es ist also unklar, ob ein legislativer Fußabdruck kommt – und falls er kommt, ob er ohne Ausnahmen und Umgehungsmöglichkeiten auskommt.