Der Anlass: Normalerweise sollte es für so einen Verstoß gegen die Meldepflichten eine Geldstrafe von 100 Euro. Stattdessen bekommt der Sender keine neue Radiolizenz mehr. Trotz Versuchen der EU-Kommission, dem Sender zu helfen, ist Klubrádió seit dem 15. Februar nur mehr über das Internet empfangbar.
Warum das wichtig ist: Klubrádió ist ein weiterer Fall, in dem Premierminister Viktor Orbán gegen freie Medien vorgeht. Die meisten Zeitungen, Radio- und TV-Sender Ungarns berichten nach dem Gusto der Fidesz-Regierung. Dadurch werden oft Falschinformationen verbreitet und die Opposition medial klein gehalten.
Worum es grundsätzlich geht: Ungarns Medienpolitik wird immer wieder als Paradebeispiel einer Entdemokratisierung angeführt, weil die Fidesz-Regierung die Medien zu ihrem eigenen Vorteil kontrolliert und lenkt. Das Institut Variations of Democracy der Universität von Göteborg meint, dass Ungarn der extremste Fall von Entdemokratisierung und das erste autokratische Regime in der EU sei.
Seit Jahren haben wohlhabende Unternehmer:innen aus Orbáns näherem Umfeld kritische Medien aufgekauft, unangenehme Journalist:innen entlassen und die Häuser zu Sprachrohren der Fidesz-Regierung umgebaut. Die Stiftung Mediaworks besitzt über 500 regionale und landesweite Medien. Sie wird von László Szabó kontrolliert, der bis April 2020 Ungarns Botschafter in den USA war.
Schon 2013 wurde das regierungskritische Onlinemedium Origo aufgekauft, das für seine investigativen Geschichten bekannt war. Heute wird Origo als Propagandablatt bezeichnet.
Die größte Tageszeitung des Landes, Népszabadság, wurde 2014 von einem Vertrauten Orbáns gekauft und 2016 völlig überraschend eingestellt. Damit ging nicht nur ein unabhängiges Medium verloren: Orbáns Vertraute kontrollieren nun auch das größte Medienarchiv des Landes.
Vielen Medien ging es ähnlich: Sie wurden gekauft, auf Linie gebracht oder zugesperrt. Die US-amerikanische Demokratie-NGO Freedom House äußerte sich nach der Einstellung von Népszabadság zum Vorgehen der ungarischen Regierung und analysierte: Besitzverhältnisse werden als politisches Werkzeug eingesetzt, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Erst 2020 wurde mit Index eines der größten unabhängigen Medien Ungarns aufgekauft und der Chefredakteur entlassen. Daraufhin kündigten mehr 70 Mitarbeiter:innen solidarisch, um ein Zeichen gegen die Medienpolitik Orbáns und seiner Vertrauten zu setzen.
Die letzten noch unabhängigen Medien in Ungarn erzählen unterdessen von erschwerten Arbeitsbedingungen und fehlenden Werbekund:innen. Anfragen würden von Behörden und Politiker:innen ignoriert, Interviews abgelehnt und der Zugang zu Dokumenten erschwert, erzählte der Investigativjournalist Szabolcs Panyi dem Prospect Magazine 2020. Um Orbán eine Frage stellen zu können, habe er nach Brüssel fliegen müssen, weil er nur dort in die Nähe des ungarischen Premierministers gekommen sei.
Im Fall von Klubrádió hat sich die Präsidentin des Medienrates, Monika Karas, geäußert. In einem Blogpost meinte sie: ”die Radiostation wurde nicht diskriminiert.”
Was seitdem passiert ist: Kritik für das Vorgehen gegen Klubrádió kommt vor allem von der Europäischen Union. Schon vor dem endgültigen Aus des Senders zeigte sich ein Sprecher der Europäischen Kommission besorgt über die Freiheit der Medien im Land. Außerdem kündigte er an, dass die EU-Kommission weitere Schritte einleiten werde. Seit dem endgültigen Aus des Senders hat sich die Kommission aber nicht mehr dazu geäußert.
Die Europäische Kommission überprüft allerdings die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn, weil die Justiz möglicherweise nicht mehr unabhängig ist. In weiterer Folge könnte Ungarn EU-Förderungen verlieren.
Die Kommissarin für Menschenrechte des Europarates, Dunja Mijatović, spricht von einer weiteren ”zum Schweigen gebrachten Stimme” in Ungarn.
Nachdem ein Ausschluss der ungarischen Fidesz-Partei aus dem Verbund der Europäischen Volksparteien (EVP) unmittelbar bevor stand, ist Orbáns Partei im März 2021 kurzerhand selbst aus der EVP ausgetreten. Das war nur der letzte Vorfall einer langen Liste an Konflikten zwischen Ungarns Regierung und der EVP. Schon davor war die Fidesz suspendiert.
Nach profil-Recherchen zu Gerüchten über eine neue Fraktion im EU-Parlament, die von Ungarn geplant werden soll, kam im ungarischen Staatsfernsehen ein Bericht, in dem die österreichische Journalistin Franziska Tschinderle für ihre Presseanfrage attackiert wurde.