Ein Gerichtsverfahren nach einer Anfrage nach dem Auskunftspflichtgesetz stellt das Bundesministerium für Inneres vor ein Argumentationsproblem: Wie kann man Informationen zurückhalten, obwohl man dafür keine Gründe hat? In einem wilden Konvolut an Argumenten sticht eines heraus: ein scheinbares Misstrauen in die eigenen Kabinettsmitarbeiter:innen im Ressort von Karl Nehammer.
Alle Ministerien liefern – nur das BMI nicht
Zur Vorgeschichte: Politikmagazin.at wollte in einer Anfrage-Serie an alle Ministerien wissen, wer im Kabinett tätig ist und wofür die einzelnen Referent:innen zuständig sind. Manche Ministerien hatten diese Informationen transparent auf ihrer Seite, andere kamen der Aufforderung rasch nach. Aber einige wehrten sich, reagierten nicht auf Mails und Anrufe oder versuchten Datenschutzbestimmungen vorzuschieben. Erst als das Politikmagazin die Anfragen nach dem Auskunftspflichtgesetz einforderte, gaben Bundeskanzleramt, Verteidigungsministerium und Bildungsministerium bekannt, wer im direkten Umfeld der politischen Entscheidungsträger:innen wofür zuständig ist. Politikmagazin.at machte es öffentlich.
Nur das Innenministerium weigerte sich weiter und stellte nach mehrmaliger Aufforderung einen Bescheid aus. Nur mit einem Bescheid kann man die Sache von einem Gericht entscheiden lassen. Eigentlich müsste das Ministerium in so einem Bescheid argumentieren, wieso sie die Information nicht herausgeben darf. Ihr einziges Argument: „Von einer näheren Aufgliederung über die Untergliederungen nach Zuständigkeiten hinaus musste im Hinblick auf die damit verbundene Einschränkung hinsichtlich der Besonderheiten der umfassenden Aufgabenstellungen des Bundesministeriums für Inneres abgesehen werden.“ Kurz: Jede:r ist für alles zuständig.
Es kam zu einer Bescheidbeschwerde des Mediums und am 17. August 2021 – 18 Monate nach der Anfrage – zu einer Gerichtsverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Nach wenigen Minuten war wieder alles vorbei: Der Rechtsvertreter des Innenministeriums brachte gleich eine Liste der Tätigkeitsbereiche der Kabinettsmitarbeiter:innen mit, nachdem der Richter im Vorfeld klar gemacht hat, dass die Argumentationen des Ministeriums vom Gericht nicht akzeptiert werden könne. Am Ende wurde die Anfrage des Mediums also beantwortet – die Beschwerde formal zurückgezogen und das Innenministerium hat sich nicht blamiert.
Angebliche Angst vor Korruption
Aber was waren die Argumente des Innenministeriums, die das Gericht vorgelegt bekommen hat – und nicht ernst nehmen konnte? Auf sieben Seiten hat das Innenministerium versucht zu erklären, wieso es die Aufgabenbereiche der Referent:innen von Bundesminister Karl Nehammer nicht öffentlich machen darf:
- Wenn das Ministerium die Tätigkeitsfelder der Kabinettsmitarbeiter:innen nennen würde, wären diese persönlich angreifbar, so das Ministerium. (Wieso das passieren sollte, erklärt das BMI nicht.)
- Eine Nennung der Tätigkeitsbereiche würde das Recht der Referent:innen auf Datenschutz brechen. (Beispiele liefert das Ministerium dafür keine.)
- „Die interne Organisation von Verwaltungsabläufen innerhalb einer Dienststelle bzw. einzelner Teilbereiche der Dienststelle ist keine Angelegenheit, die als wichtiges soziales Thema oder Problem, über das die Öffentlichkeit informiert werden möchte, verstanden werden kann“, glaubt das Ministerium. (Die Öffentlichkeit hat also kein Interesse zu erfahren, wie Entscheidungen zustande kommen.)
Das mit Abstand bemerkenswerteste Argument des Innenministeriums ist allerdings jenes:
- „Die Offenlegung, welcher Fachreferent/welche Fachreferentin welche Agenden bearbeitet, würde den einzelnen Fachreferent/die einzelne Fachreferentin anfällig für Beeinflussung machen (konkret zu denken ist dabei etwa an Bestechlichkeit, Erpressbarkeit oder andere Einflussnahme durch Dritte),“ schreibt das Ministerium.
Es argumentiert hier, dass die eigenen Kabinettsmitarbeiter:innen so korruptionsanfällig sind, dass man ihre Arbeitsfelder geheim halten müsse. Wüsste man über die Tätigkeitsbereiche Bescheid, dann bestehe die Gefahr, „dass diese Entscheidungen nicht nach den vom Bundesminister bzw. der Bundesregierung im Rahmen der Gesetze vorgegebenen Leitlinien, sondern aufgrund von Interessen (einzelner) Außenstehender, die bewusst Einfluss auf einzelne Fachreferent/innen nehmen, getroffen werden“ würden. Weitergedacht würde das auch bedeuten, dass jedes Treffen von Referent:innen mit Vertreter:innen einer Interessensvertretung einen ungebührlichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung bedeuten würde.
Gleichzeitig weist das Innenministerium auf seiner Homepage die Sektionsleiter:innen nicht nur mit Foto, sondern auch mit Email-Adresse selber aus. Hier scheint es keine Bedenken zu geben, dass Sektionsleiter:innen anfällig für Beeinflussungen sein könnten.
Erfolg mit Beigeschmack
Am Ende bleibt bleibt ein bitterer Beigeschmack, denn das BMI hat ein Ziel eindeutig erreicht: Die Informationen bis zur letztmöglichen Sekunde zurückgehalten und dem Medium so viele Probleme wie möglich gemacht. Die Informationen sind mittlerweile veraltet, mehrere Referent:innen haben das Kabinett von Karl Nehammer schon wieder verlassen. Und mit heute, 6. Dezember, sogar dieser selbst das Innenministerium.
Und der schlimmste Nebeneffekt: Das Gericht konnte nicht entscheiden, dass Ministerien auch die Tätigkeitsbereiche von Kabinettsmitarbeiter:innen herausgeben müssen – denn die Liste wurde ja in letzter Sekunde vorgelegt. Damit gibt es – trotz nötigen Verfahrens – keine richterliche Bestätigung. Die Willkür der Ministerien kann bestehen bleiben.