In den USA könnten demokratische Reformen kommen

Der “For The People Act“ könnte eine Reform des Wahl(kampf)systems bringen. Der Gesetzesentwurf soll Minderheiten das Wählen leichter machen, den Einfluss Einzelner beschränken und einen “Code of Conduct“ einführen.

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Kran: Alex Prevot (CC BY SA 2.0) | Grafik: <em>ResPublica</em>

Der Anlass: Sie nutzen ihre neue Mehrheit auch symbolisch. Das erste Gesetz, das die Demokraten im US-Senat und Kongress eingebracht haben, ist eine weitreichende Reform des Wahl- und Wahlkampfsystems. Der “For The People Act” wird von einigen Beobachter:innen als eine der wichtigsten Reformen der letzten Jahrzehnte und “Signature piece of legislation” bezeichnet – als stilprägender Schritt in der Gesetzgebung.

Warum ist das wichtig? Der “For The People Act” würde drei Aspekte im politischen System der USA ändern:

  1. Das Registrieren für eine Wahl soll einfacher werden. In den USA muss man sich vor einer Wahl registrieren, erst dann kann man wählen. Bei dieser Registrierung gibt es je nach Bundesstaat unterschiedliche Regeln und diese Regeln sind oft hohe Hürden für Minderheiten. Jetzt soll eine Online-Registrierung möglich werden. Alle, die schon mit US-Behörden zu tun hatten – für den Führerschein etwa – sollen automatisch registriert werden. Der Anwalt Christopher Edwards nennt diese Gesetzesänderungen einen “political game-changer”.
  2. Parteispenden und Wahlkampfkosten könnten transparenter werden. Derzeit können Spender:innen anonym bleiben, indem sie nicht an die Kampagne selbst spenden, sondern an Firmen oder Vereine, die das Geld weiterleiten.
    Außerdem soll der Einfluss einzelner Unternehmen und Personen kleiner werden. Derzeit müssen Kandidat:innen viel Geld für ihre Kampagnen sammeln und gehen dafür zu großen Unternehmen und reichen Personen. Das Gesetz sieht jetzt vor, dass der Staat unter bestimmten Umständen das Wahlkampfbudget aufbessert – wenn es genug Kleinspenden von Bürger:innen gibt. So sollen Bürger:innen wieder mehr in den politischen Prozess involviert werden und Politiker:innen nicht mehr so abhängig von Einzelnen sein.
  3. Richter:innen, Staatsdiener:innen und Präsident:innen könnten einen “Code of Conduct“ bekommen und die Lobbying-Regeln könnten strenger werden. Für Richter:innen des Supreme Court gelten derzeit nicht die gleichen ethischen Regeln wie für andere Richter:innen. Das soll sich ändern. Außerdem sollen die Regeln für Lobbyist:innen geändert werden. Sie müssen sich jetzt früher in ein Lobby-Register eintragen.

Worum geht es grundsätzlich? Das US-amerikanische Wahlsystem wird immer wieder kritisiert. Weil es Minderheiten benachteiligt, mächtige Personen und Unternehmen übermäßig viel Einfluss haben und Stimmen verschieden viel wert sind. Da jeder Bundesstaat zwei Vertreter:innen in den Senat schicken, vertreten Senator:innen der kleinen Bundesstaaten viel weniger Wähler:innen als andere und haben trotzdem die gleiche Stimmmacht.

Bei den Präsidentschaftswahlen 2020 gab es in Bezirken, in denen Menschen mit geringem Einkommen leben, viel weniger Wahllokale als in anderen Bezirken. Die Folge: Die Menschen in diesen Bezirken, häufig Minderheiten, mussten sich bei den wenigen Wahllokalen stundenlang anstellen, um ihre Stimme abgeben zu können. Bei vielen ging es sich trotzdem nicht aus.

Einige republikanische US-Bundesstaaten haben gezielt Gesetze beschlossen, die das Wählen schwieriger machen. Traditionell wählen Minderheiten öfter die Demokraten als die Republikaner.

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So werden Wahlbezirke für den eigenen Vorteil angelegt. Credit: Vox.com

Ein anderes Problem ist das sogenannte Gerrymandering. Vereinfacht gesagt: Beim Gerrymandering werden die Wahlbezirke so festgelegt, dass eine Partei, die insgesamt weniger Stimmen bekommen hat, trotzdem gewinnen kann. Dabei werden die Wähler:innen der anderen Partei in wenige Wahlbezirke zusammengezogen und die eigene Partei kann so alle anderen Bezirke gewinnen.

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass diese Wahlbezirke nicht mehr von den Politiker:innen bestimmt werden, die davon profitieren können, sondern von einer unabhängigen Kommission. In Ländern wie Kanada gibt es dieses System schon seit Jahrzehnten.

Noch ein Problem gibt es bei der Finanzierung von Wahlkämpfen. Präsidentschaftswahlkämpfe kosten oft hunderte Millionen US-Dollar. Kandidat:innen müssen also viel Geld sammeln, um eine Chance zu haben. 2016 kostete es 50.000 US-Dollar, um Hillary Clinton bei einem Fundraising-Event zu treffen. Wer dort war und was Clinton gesagt hat, blieb vertraulich. Und die republikanische Partei nutzte das für politische Angriffe aus: Verschwörungstheorien kursierten und das Vertrauen sank. Aber auch der Demokrat Bernie Sanders, der selbst Präsidentschaftskandidat werden wollte, sagte, dass Clinton ihren Spender:innen gehören würde und sie tun müsse, was immer sie ihr anschaffen würden.

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Mit Super PACs haben Wenige mit viel Geld Einfluss auf Politiker:innen. Credit: USA Today

Nach einer kontroversen Rechtssprechung 2010 gibt es für sogenannte Super PACs außerdem keine Beschränkungen mehr. Super PACs sind Organisationen, die für Politiker:innen Geld sammeln, Werbungen produzieren oder Veranstaltungen planen. Für sie gibt es fast keine Regeln und die Transparenz-Richtlinien für Super PACs sind einfach zu umgehen. 2016 alleine haben Super PACs mehr als zwei Milliarden US-Dollar gesammelt.

Der “We The People Act” soll gegen mögliche Abhängigkeiten helfen und Politiker:innen dazu bringen, mehr Kontakt mit Bürger:innen zu haben. Dafür sollen Kleinspenden aufgewertet werden, indem sie der Staat versechsfacht. So sollen Politiker:innen auch ohne reiche Unterstützer:innen eine Chance auf Erfolg haben und Bürger:innen mehr Anreize haben, sich in den politischen Prozess einzubringen. Der demokratische Abgeordnete John Sarbanes glaubt, dass so auch der Einfluss der Lobby-Industrie zurückgedrängt werden könne – weil Unterstützer:innen mehr Kleinspender:innen organisieren können als Lobbyist:innen.