Erneute Angriffe der ÖVP auf die WKStA

Erneut greift die ÖVP die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft an, die gegen sie ermitteln muss. Die Kritik an dem Vorgehen fällt heftig aus.

In einer Pressekonferenz stellt ÖVP-Parlamentarier Andreas Hanger die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als politisch beeinflusst und ideologisch ausgerichtet hin. Er greift dabei jene Staatsanwaltschaft an, die derzeit gegen Politiker:innen der Volkspartei ermitteln muss.

Warum das wichtig ist: Die ÖVP attackiert die WKStA seit Monaten, womit Ermittlungen gegen führende Volkspartei-Politiker:innen klein geredet werden. Die unabhängige Justiz wird dabei immer wieder auf eine politische Bühne gezerrt, um mögliche Ermittlungsergebnisse schon im vorhinein zu entwerten. So wird allerdings nicht nur eine einzelne Ermittlung entwertet, sondern das Justizsystem Österreichs. Und das ist absolut notwendig für die Rechtsstaatlichkeit und damit für eine funktionierende Demokratie.

Worum es grundsätzlich geht: Der Ibiza-Untersuchungsausschuss des Parlaments ist vorbei, die Endberichte liegen vor. Nichtsdestotrotz gibt der ehemalige Fraktionsführer der ÖVP Andreas Hanger eine Pressekonferenz zu den Themen, die der Untersuchungsausschuss behandelt hat. Neue Vorwürfe bringt die ÖVP nicht vor. Vielmehr kritisiert sie Punkte, die die Partei schon seit Monaten als Beweise für eine politische Neigung der Behörde darstellt und spricht davon, dass „mit zweierlei Maß gemessen“ werde:

  • Ein „klarer Beweis für eine Falschaussage“ von Wiens Ex-Bürgermeister Michael Häupl im Krankenhaus-Nord-Untersuchungsausschuss habe zu keinen Ermittlungen geführt, die „etwaige Falschaussage“ von Sebastian Kurz schon, so Hanger.
    Der Unterschied, den Hanger außen vor lässt: Kurz wurde angezeigt, woraufhin die WKStA zu ermitteln beginnen musste, Häupl nicht.
  • Hanger kritisiert die WKStA auch für Dinge, die ihr eigentlich zugute zu halten wären: „Die Information über den Beschuldigtenstatus ist normalerweise ein Dokument mit zwei Seiten, […] das erste Dokument der WKStA hatte bereits 50 Seiten.“ Auch das Protokoll der Einvernahme des Kanzlers wird von Hanger negativ bewertet.
    Die Kritik ist also, dass die WKStA eine unglaublich detailierte Begründung für den Beschuldigtenstatus geliefert hat – und die Einvernahme von Sebastian Kurz protokolliert worden ist.
  • Der Nationalratsabgeordnete unterstellte der WKStA auch, dass Akten von ihr an die Öffentlichkeit gespielt werden würden: „Es gibt Protokolle, die dann natürlich wieder an die Medien gespielt werden, da gibt es auch die Situation, dass hier ganz klar nicht ausgewogen agiert wird.“
    In Wahrheit konnten an Medien gespielte Unterlagen aus dem Untersuchungsausschuss in der Vergangenheit der ÖVP zugeordnet werden.
  • Die Frage, welches Ergebnis Hanger von seiner Pressekonferenz denn erwarte, kann der Nationalratsabgeordnete nicht beantworten.

Die Reaktionen: Die Presse-Journalistin, die von der WKStA angezeigt wurde, schreibt auf Twitter, dass sie sich von der ÖVP instrumentalisiert fühle.

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  • Der Krone-Journalist Erich Vogel vermutet auf Puls 24, dass die ÖVP wohl eine Hausdurchsuchung erwartet und deshalb mit solchen Pressekonferenzen vorbeugen wolle. Schon in der Vorwoche gab ÖVP-Generalsekretär-Stellvertreterin Gabrielle Schwarz eine bizarre Pressekonferenz, bei der sie meinte, dass Ermittler:innen in der ÖVP-Zentrale „nichts mehr finden“ könnten.
  • Die Staatsanwältevereinigung schreibt auf Twitter, dass Österreichs Staatsanwält:innen weder links noch rechts, sondern „ausschließlich dem Recht verpflichtet“ seien. Die Strategie, politische Motivation zu unterstellen, „kann in einem funktionierenden Rechtsstaat nicht funktionieren.“
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  • Das Anti-Korruptionsvolksbegehren sieht in dem Angriff auf die Justiz eine „schwere Entgleisung“ und die „Grenzen des Anstands“ überschritten. Es fordert Bundespräsidenten, Nationalratspräsident:innen und Justizministerin Alma Zadić auf, sich schützend vor den Rechtsstaat zu stellen.
  • Neos-Justizsprecher Johannes Margreiter nennt es einen „erneuten Frontalangriff“. Weiters sei „in einer Demokratie Feuer am Dach“, wenn solche Angriffe von der Kanzlerpartei kommen, so Margreiter weiter, der sich von Zadić mehr Rückendeckung für die Justiz erwartet.
  • SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch vermutet, dass die ÖVP aus Angst „versucht, die Justiz mit allen Mitteln sturmreif zu schießen“ und unterstellt ihr auch eine „antidemokratische Gesinnung“.
  • Die FPÖ sieht eine Verleumdungskampagne gegen die Justiz und spricht von eine „Verständnis von Rechtsstaatlichkeit, das in einer westlichen Demokratie des 21. Jahrhunderts nichts verloren hat.“
  • Die Grünen sprechen von einem „unwürdigen Spiel“ des Koalitionspartners und Justizsprecherin Agnes Prammer fordert von Andreas Hanger eine Einstellung der „sich wiederholenden Einschüthterungsversuche“.
  • Zweieinhalt Stunden vor der Ankündigung der Pressekonferenz fand bei der früheren Assistentin von Thomas Schmid eine Hausdurchsuchung statt. Ihr Laptop wurde laut Kurier mitgenommen. Schmid gilt als zentrale Figur, die im Kabinett des Finanzministeriums tätig war und danach Geschäftsführer der ÖBAG wurde. Politiker:innen und einige Beobachter:innen vermuteten daraufhin eine Verbindung zwischen der eilig einberufenen Pressekonferenz und der Hausdurchsuchung.
  • Die ÖVP-Pressestelle reagierte weder auf Mails, noch Telefonanrufe und übermittelte auch das Konvolut nicht, das die Thesen laut Hanger untermauern würde.