Am 17. Mai 2019 veröffentlichten deutsche Medien das Ibiza-Video. Es kam zu Rücktritten, der ersten Minister-Entlassung und dem ersten erfolgreichen Misstrauensantrag in der Geschichte der zweiten Republik gegen die Überbleibsel der Regierung des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz. Die Übergangsregierung der ehemaligen Verfassungsgerichtshof-Präsidentin Brigitte Bierlein verwaltete das Land, bis es Neuwahlen gab. Bundespräsident Alexander Van der Bellen war im Dauereinsatz.
Am ersten Jahrestag des Ibiza-Videos kündigte die erst fünf Monate amtierende Justizministerin Alma Zadić (Grüne) eine Verschärfung der Korruptionsstrafbestände an. Das, worüber auf Ibiza gesprochen wurde, sollte verboten werden. Geschäfte in Aussicht stellen, bevor man ein Amt hält? Gehört verboten. Kandidat:innen bestechen, um einen guten Listenplatz zu bekommen? Gehört verboten. Gelder vorbei am Rechnungshof an Parteien schleusen? Gehört verboten. Von den Ankündigungen umgesetzt wurde bisher nur eine Korruptionsstatistik.
„Der Kampf gegen Korruption ist ein zentrales politisches Anliegen von mir. Ein entschiedenes Vorgehen gegen Korruption und Freunderlwirtschaft ist die Grundvoraussetzung für einen gut funktionierenden Rechtsstaat, dem die Menschen vertrauen und der die Demokratie schützt. Seit Beginn meiner Amtszeit habe ich bereits viele Maßnahmen gesetzt – von der Stärkung der Korruptionsermittler*innen der WKStA bis zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses, die wir auf den Weg gebracht haben.“
Alma Zadić im Juli 2021 zu ResPublica
Zwei Jahre später, am dritten Jahrestag, ist davon immer noch nichts umgesetzt. Somit gelten immer noch die genau gleichen Gesetze wie zum Zeitpunkt der Ibiza-Affäre, es hat sich also nichts geändert. Ein Gesetzesvorschlag des Justizministeriums liegt seit November 2021 bei der Koalitionspartnerin ÖVP. Was seitdem passiert ist, will die Kanzlerpartei auf ResPublica-Anfrage nicht sagen.
Warum das wichtig ist: Korruption ist demokratieschädigend. Sie zerstört das Vertrauen der Bürger:innen in Institutionen und Politiker:innen. Illustriert wird das durch das jährliche Vertrauensranking.
Obwohl im Mai 2022 über 300.000 Menschen das Anti-Korruptionsvolksbegehren unterschrieben haben und Korruption seit 2019 eines der bestimmenden Themen in Österreichs Innenpolitik ist, setzte der Gesetzgeber neben einer Parteispendenobergrenze kaum Schritte dagegen. Die Regierung kündigte zwar mehrmals Gesetze an, umgesetzt wurden sie aber nicht.
Es bleibt also weiter unklar, was Parteien und staatliche Institutionen mit Steuergeld machen oder welche mächtigen Player aus der Wirtschaft Einfluss auf die Politik nehmen. Drei Jahre nachdem Heinz-Christian Strache auf Ibiza Lücken in der Gesetzgebung aufgezeigt hat, sind diese Lücken immer noch nicht geschlossen.
Worum es grundsätzlich geht: Für die Erarbeitung von Anti-Korruptionsgesetzen im Strafgesetzbuch ist das Justizministerium verantwortlich. Auf ResPublica-Anfrage spricht das Ministerium im Mai 2022 von zwei geplanten Verschärfungen, die es schon im Mai 2020 angekündigt hat:
- Ein Mandatskauf soll strafbar werden. „Auch für Dritte soll es künftig strafbar sein durch Zuwendungen an eine:n Kandidaten:Kandidatin einen günstigen Listenplatz zu kaufen“, schreibt das Justizministerium.
- Die Anbahnung von Machtmissbrauch soll schon strafbar sein, wenn die Amtsträger:innen das Amt noch nicht halten. „Wenn jemand illegale staatsschädigende Geschäfte als Amtsträger in Aussicht stellt, bevor er die Position innehat, soll das künftig ebenfalls strafbar sein“, erklärt das Ministerium.
In einer früheren Anfrage zu einem ResPublica-Schwerpunkt sprach das BMJ im Juli 2021 allerdings noch von mehr Punkten. Zwar sollte schon damals ein Mandatskauf und das Geschäftsversprechen strafbar werden, gegenüber ResPublica wurde aber noch ein dritter Punkt angekündigt: Der Rechnungshof sollte eine erweiterte Prüfkompetenz bekommen und „die Bestechung von Mitarbeiter*innen von staatsnahen Unternehmen bereits ab einer staatlichen Beteiligung von 25% strafbar sein.“
Laut Rechnungshof wurde die Prüfkompetenz im vergangen Jahr nicht erweitert.
Die ÖVP ließ eine ResPublica-Anfrage zu den Verzögerungen unbeantwortet.

Das Strafrecht ist nur ein Aspekt im Kampf gegen Korruption. Der andere ist Transparenz. NGOs werden nicht müde zu betonen, dass man nur mit genügend Transparenz Missstände finden und Missbräuche abstellen könne. Aber auch diese vor längerer Zeit angekündigten Maßnahmen sind bis heute nicht umgesetzt:
- Das Informationsfreiheitsgesetz liegt seit über einem Jahr bei Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Kritisiert wird das Gesetz von den Bundesländern, die sich bei der Umsetzung querlegen sollen. Der Städtebund und der Gemeindebund fordern sogar Dinge, die eine Verschlechterung zur jetzigen Gesetzeslage darstellen würde, analysiert die Transparenz-NGO Forum Informationsfreiheit.
Expert:innen wie der Verfassungsjurist Heinz Mayer verlangen deshalb ein Informationsfreiheitsgesetz auf Bundesebene. Das könnte die Regierung alleine beschließen. Die will davon aber nichts wissen. - Das Parteiengesetz wurde erst Ende April im Nationalrat eingebracht. Expert:innen sehen darin zwar einen Schritt in die richtige Richtung, vermissen aber unter anderem Strafbestände für illegale Parteienfinanzierung und sehen Lücken. Der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat kritisiert auch, dass das Gesetz unklar formuliert ist und deshalb Grauzonen erzeuge. Eine ausdrückliche Ausnahme von Personenkomitees könnte so zur Umgehung genutzt werden. In den USA können über ähnliche Konstruktionen – sogenannte Super-PACs (Political Action Committee) – Millionen gesammelt werden.
- Die Whistleblower-Richtlinie der EU ist seit fünf Monaten fällig. Österreich hätte das Gesetz spätestens mit 17. Dezember 2021 beschließen müssen, das aber nicht getan. Dabei liegt seit Oktober ein Gesetzesentwurf vor. Die EU-Kommission hat deshalb ein Säumigkeitsverfahren gegen Österreich eingeleitet. Es ist eines von 74 Verfahren gegen Österreich, weil Gesetze nicht umgesetzt werden. Das Ministerium von Arbeitsminister Martin Kocher läßt mehrere Anfragen seit Dezember 2021 unbeantwortet.